Mit der weltweit umfassendsten Studie gehen Forscher im Wiener Otto Wagner Spital der gefürchteten Lungenkrankheit COPD auf den Grund. Mehr als 11.000 Probanden im Alter von 6 bis 80 Jahren, 7.000 Einzelfragen, sowie regelmäßige umfassende Untersuchungen sollen wichtige Aufschlüsse über Ursachen, Risikofaktoren und mögliche Früherkennung der Krankheit liefern.
Schon die ersten Ergebnisse der Studie des Ludwig Boltzmann Instituts für COPD und Pneumologische Epidemiologie werfen einige bisher als wissenschaftlich gesichert geltende Annahmen über den Haufen. Vor allem das Risiko für Kinder und Jugendliche wurde in der Vergangenheit weltweit deutlich unterschätzt. Kurz gefasst: Junge Menschen sind häufiger krank als bisher angenommen, Ältere oft gesünder als befürchtet.
Chronische nichtübertragbare Krankheiten gehören zu den größten gesundheitlichen Bedrohungen in der westlichen Industriegesellschaft. Dazu zählen beispielsweise Herzkreislauferkrankungen, Diabetes aber auch Asthma und vor allem die Lungenerkrankung COPD (chronic obstructive pulmonary disease). COPD droht sehr bald die dritthäufigste Todesursache in der westlichen Welt zu sein.
Unter dem Titel LEAD (das Kürzel steht für Lung, HEart, SociAl, BoDy) erforschen österreichische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun erstmals die Ursachen, Begleiterkrankungen und Risikofaktoren von COPD.
Ein Team hochkarätiger Mediziner rund um Prim. Dr. Sylvia Hartl und Prim. Univ. Prof. Dr. Otto C. Burghuber untersuchen dabei über einen Zeitraum von 12 Jahren seit dem Jahr 2012 mehr als 11.000 Menschen (1.832 aus Niederösterreich + 9.050 aus Wien). Die Ergebnisse der ersten Studienphase wurden am 9. November in einer Pressekonferenz präsentiert.
Erste Ergebnisse der Studie sind besorgniserregend – schon 3,5 Prozent der Kinder und jungen Menschen weisen kein normales Lungenwachstum auf. Die ersten aus den Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse sind zum Teil alarmierend:
- Die Prävalenz (Häufigkeit) von Lungenerkrankungen ist hoch, höher als bisher von der WHO eingeschätzt.
- Die Lungenfunktion von jungen Erwachsenen ist bereits genauso häufig eingeschränkt wie bei den über 40-Jährigen.
Betrachtet man Diagnosen und Messungen über alle Altersgruppen, stellt man fest, dass die Krankheitsdiagnose COPD bei den über 60-Jährigen in den Arztdiagnosen deutlich überschätzt wird, aber bei den Jüngeren, also der Altersgruppe der unter 40-Jährigen, eine deutliche Unterschätzung der Lungeneinschränkungen vorliegt. Auffällig in den gemessenen Lungeneinschränkungen ist, dass die 25-bis 39-Jährigen bereits ebenso häufig wie die 40-50-Jährigen eine fixierte Lungeneinschränkung aufweisen.
Besonders alarmierend an den Untersuchungsergebnissen der Phase 1 der Wiener LEAD-Studie ist, dass in der Zeit des Lungenwachstums bis zum 25. Lebensjahr bereits 3,5 Prozent der Menschen keine normale Lungengröße erreichen. Diese Daten liegen nun erstmals in Österreich vor, da es in der Praxis keine Vorsorgeuntersuchung für Lungenfunktion gibt.
Als Fazit aus den bisherigen Untersuchungen lässt sich aus medizinischer Sicht ganz klar eine Forderung nach Lungenuntersuchungen schon im Kindesalter ableiten.
Die LEAD-Studie muss longitudinal fortgesetzt werden, um den Wert der Erkenntnisse zu erhöhen – allerdings ist die Finanzierung der Studie abhängig von Unterstützungsgeldern und durch freiwillige Spenden, da die Studie nicht aus der öffentlichen Hand gefördert wird.
Prim. Dr. Sylvia Hartl: “Forschung braucht Unterstützung, aber Forschung hilft – uns und vor allem unseren Kindern. Sie hilft den Betroffenen ein besseres Leben zu leben und den jetzt Geborenen eine gesündere Zukunft zu erleben.”
LEAD Studie
Die österreichische LEAD-Studie – ein wissenschaftliches, weltweit einzigartiges Projekt – erforscht über einen Zeitraum von zwölf Jahren an über 11.000 Personen (9.050 aus Wien, 1.832 aus Niederösterreich) über die Altersklassen von 6-80 Jahren die Entstehung und den Verlauf von chronischen Lungenkrankheiten. Dazu werden diese mehr als 11.000 Personen drei Mal binnen 8 Jahren auf Lungen- und Begleiterkrankungen hin untersucht. Im Vordergrund stehen Informationen über die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), die regelmäßigen Untersuchungen beziehen sich jedoch auch auf Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes mellitus, Osteoporose etc. Die Studie läuft seit 2012, die Gesamtbeobachtung endet Ende 2024.
Ludwig Boltzmann Gesellschaft
Die Ludwig Boltzmann Gesellschaft schafft die Rahmenbedingungen, damit gezielt neue Forschungsthemen in Österreich angestoßen werden. Die LBG gibt Freiraum zum Querdenken und behandelt gesellschafts- und zukunftsrelevante Forschungsfragen. In 18 Instituten und Clustern befassen sich 550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Themen aus den HealthSciences und den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften.