Turn on, tune in, drop out! (1)

Der Einsatz halluzinogener Substanzen im Rahmen der Forschung oder gar in der Psychotherapie erzeugt unter Neurowissenschaftlern traditionell verhärtete Fronten. Im Grunde findet zwischen Befürwortern und Gegnern kaum wissenschaftlicher Diskurs statt, es herrscht Unverständnis (oder schlicht Unkenntnis), und die rechtlichen Spielräume halten den Einsatz von Substanzen wie Psilocybin oder MDMA (Ecstasy) zudem fest im experimentellen Bereich. Dort jedoch hält er auch in therapeutischer Form immer wieder Prüfungen nach strengen evidenzbasierten Kriterien stand, wie etwa bei der Behandlung von Kriegsveteranen mit PTSD (posttraumatic stress disorder) durch MDMA (2). Auch aus Deutschland stammen renommierte Namen der Forschung mit bewusstseinsverändernden Substanzen wie MDMA oder LSD, so etwa Prof. Torsten Passie (3).

Nichtsdestotrotz, die therapeutische Breite der eingesetzten Substanzen dürfte ohne Frage als sehr gering bezeichnet werden, was spätestens deutlich wurde, als der Schweizer Albert Hofmann am 19. April 1943 nach seinem historischen Selbstversuch einer extremen Überdosierung LSD später als sein “Sorgenkind” bezeichnete, nachdem er die Substanz im Rahmen seiner Ergotaminforschung für den Pharmakonzern Sandoz entwickelt hatte (der Tag ging später als “bicycle day” in die Geschichte ein, da es der Schweizer unter starkem Einfluss der Substanz gerade noch schaffte, auf dem Fahrrad, 
pardon “Velo”, nach Hause zu radeln, bis in die volle Wirkung seiner Entdeckung überkam) (4).

Im Rahmen experimenteller Untersuchungen zur Wahrnehmungsphänomenologie wurde nun eine “Virtual Reality Plattform” entwickelt, die per Headset am Probanden per Knopfdruck selektiv bevorzugt die visuelle Komponente der Wahrnehmung verändert, und das in ähnlicher Form, wie sie unter dem Einfluss von Psilocybin vorkommen soll. Erfunden hat es diesmal kein Schweizer, sondern die Gruppe um Prof.Suzuki vom Sackler Centre for Consciousness Science der University of Sussex (5). Die Gruppe publizierte in den “Scientific Reports” der Nature kürzlich die Ergebnisse des 2-phasigen Experiments zur Wirkung ihrer “Halluzinationsmaschine” an Probanden, die auf Überlagerungen halluzinatorischer Elemente der visuellen Wahrnehmung basiert (6). 

Ein wesentlicher Nachteil der Wahrnehmungsforschung mit Substanzen wie etwa LSD ist, dass diese Veränderungen verschiedenster Bereiche der Wahrnehmung auslösen, wie etwa Halluzinationen des gesamten Spektrums der Sensorik, so auch akustische oder olfaktorische Halluzinationen, oder auch ein verändertes Wahrnehmen des eigenen Selbst. Auch eine Verzerrung des Zeitempfindens ist eine oft beschriebene Nebenwirkung beim Einsatz von Substanzen, die etwa die Befragung von Probanden deutlich erschwert. In den Experimenten der Gruppe um Suzuki kamen diese “Nebenwirkungen” nicht vor. Die “Deep-Dream Virtual Reality Platform” der britischen Forschergruppe ist in der Lage, selektiv bevorzugt die visuelle Komponente der Wahrnehmung anzusprechen und ermöglicht so in kontrollierbarer und vergleichsweise sicherer Form präzisere Beobachtungen als diejenigen unter den besagten psychotropen Substanzen. Die Gruppe sieht in ihrer Innovation einen vielversprechenden Beitrag zum Verständnis menschlicher Wahrnehmung in veränderten Bewusstseinszuständen. 
 

Quellen

  • (1) Zitat von Timothy Leary, Leary T. Turn on, tune in, drop out. 1965; 1. Auflage. Ronin: Oakland.
  • (2) Mithoefer M, Wagner M, Mithoefer A, Jerome L, Doblin R. The safety and efficacy of ±3,4-methylenedioxymethamphetamine-assisted psychotherapy in subjects with chronic, treatment-resistant posttraumatic stress disorder: the first randomized controlled pilot study. Journal of Psychopharmacology. 2010;25(4):439-452.
  • (3) Passie T. Psycholytic and Psychedelic Therapy Research 1931-1995, A Complete International Bibliography. Laurentius: Hannover. 1997.
  • (4) Bewusstseinszustaende [Internet]. Bewusstseinszustaende.de. 2017 [zitiert am 3 December 2017]. Verfügbar unter: http://www.bewusstseinszustaende.de
  • (5) Hofmann A. LSD – mein Sorgenkind, die Entdeckung einer Wunderdroge. 1979 ; 3. Auflage. Klett-Cotta: Stuttgart.
  • (6) Science S. Homepage : Sackler Centre for Consciousness Science : University of Sussex [Internet]. Sussex.ac.uk. 2017 [zitiert am 3 December 2017]. Verfügbar unter: http://www.sussex.ac.uk/sackler/
  • (7) Suzuki K, Roseboom W, Schwartzman D, Seth A. A Deep-Dream Virtual Reality Platform for Studying Altered Perceptual Phenomenology. Scientific Reports. 2017;7(1).

Literatur

  • Suzuki K, Roseboom W, Schwartzman D, Seth A. A Deep-Dream Virtual Reality Platform for Studying Altered Perceptual Phenomenology. Scientific Reports. 2017;7(1).

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