Das Pankreaskarzinom ist eine der aggressivsten Krebsarten und bisher kaum therapierbar. Jedoch gab es in den letzten Jahren Fortschritte im wissenschaftlichen Verständnis der Entstehung des Karzinoms auf molekularer Ebene. So spielen neben bestimmten Risikofaktoren auch genetische Veränderungen eine Rolle. Ein Team um die Labormedizinerin Jelena Todoric vom Klinischen Institut für Labormedizin der MedUni Wien und den Molekularbiologen Michael Karin von der University of California in San Diego konnte im Rahmen einer im Top Journal Cancer Cell publizierten Studie zeigen, dass eine gestörte Autophagie der Zellen den genetischen Veränderungen vorausgehen kann. Dabei entsteht eine abnorme Menge des Proteins p62/SQSTM1, das die Bauspeicheldrüsenzellen ungünstig beeinflusst und als Folge jene Gewebeveränderungen verursacht, die sich zu einem Pankreaskarzinom weiterentwickeln.
In Österreich erkranken jährlich etwa 1.500 Menschen am Pankreaskarzinom, das sind rund vier Prozent aller bösartigen Krebserkrankungen. Bauchspeicheldrüsenkrebs macht anfangs kaum Beschwerden, weshalb die Diagnose zumeist erst im fortgeschrittenen Stadium erfolgt. Weniger als zwanzig Prozent der PatientInnen sind dann noch operabel.
Es ist in der medizinischen Forschung bekannt, dass 16 Prozent der gesunden Menschen und 60 Prozent von an Pankreatitis, also an Bauspeicheldrüsenentzündung, erkrankten PatientInnen, sogenannte Vorläuferläsionen in der Bauchspeicheldrüse aufweisen. Daraus kann sich später mit einem Prozent Wahrscheinlichkeit ein Karzinom entwickeln. Aber auch genetische Faktoren, Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht, Diabetes und eine chronische Bauspeicheldrüsenentzündung spielen eine Rolle. Wie all diese Faktoren miteinander zusammenhängen und welche Mechanismen dahinter stehen, war allerdings bisher unklar.
Jetzt ist es dem Team um die Labormedizinerin Jelena Todoric vom Klinischen Institut für Labormedizin der MedUni Wien und den Molekularbiologen Michael Karin von der University of California in San Diego gelungen, im Rahmen einer Studie am Tiermodell und anhand von menschlichem Zellmaterial nachzuweisen, dass eine Störung der Autophagie der Zellen an der Entstehung des Karzinoms mitbeteiligt ist. Die Autophagie ist jener notwendige Vorgang im Körper, bei dem Zellen eine Art Recycling betreiben und eigene Bestandteile abbauen und wiederverwerten, sowie schlechte Proteine und zelluläre Abfälle abstoßen. Wenn eine solche Störung vorliegt, die zum Beispiel durch Rauchen und Übergewicht verursacht werden kann, verschlechtert das die genetisch verursachten, bestehenden Läsionen an den Bauchspeicheldrüsenzellen, deren Funktion die Produktion von Verdauungsenzymen ist. Es kommt dann zu einer ungewöhnlichen Anhäufung des Proteins p62/SQSTM1, das typischerweise bei chronischer Pankreatitis und in den Vorläuferläsionen (pankreatische intraepitheliale Neubildungen PanIN) erhöht ist.
In der Studie konnte gezeigt werden, dass die Akkumulation von p62/SQSTM1 die Entstehung von frühen Vorläuferläsionen, den sogenannten azinär-duktalen Metaplasien begünstigt. In der Folge entsteht aus einer Kaskade molekularer Aktivitäten dann das Pankreaskarzinom. Dabei bewirkt zunächst das Protein p62 eine Verlagerung eines weiteren Proteins namens NRF2 in den Zellkern. Dieses wiederum stimuliert die Produktion vom Protein MDM2. Erhöhtes MDM2 wandelt Azinarzellen, die bestimmte krebsverursachende Genmutationen aufweisen, in stark wuchernde Duktzellen um. Daraus wächst schließlich der maligne Bauchspeicheldrüsentumor, das Duktale Adenokarzinom der Pankreas.
Das Resultat der Studie legt nahe, dass ein neuer therapeutischer Ansatz in der Behandlung der Autophagie liegen könnte, da die meisten genannten Risikofaktoren diesen Prozess stören. Die Entwicklung zielgerichteter MDM2-Medikamente könnte zukünftig die Entstehung des bösartigen Bauchspeicheldrüsenkrebses bei Menschen mit hohem Erkrankungsrisiko verhindern.
Literatur
Stress Activated NRF2-MDM2 Cascade Controls Neoplastic Progression in Pancreas. Todoric J, Antonucci L, Di Caro G, Li N, Wu X, Lytle NK, Dhar D, Banerjee S, Fagman JB, Browne C, Umemura A, Valasek MA, Kessler H, Tarin D, Goggins M, Reya T, Diaz-Meco M, Moscat J, Karin M. http://www.cell.com/cancer-cell/fulltext/S1535-6108(17)30464-6