Durch die virusbedingte chronische Entzündung der Leber bei einer Hepatitis C bildet sich steifes Narbengewebe in Form einer Leberfibrose/Zirrhose. Als Folge wird der Blutfluss durch das Organ behindert, es kommt zu Bluthochdruck in der Pfortader. Dieser ist mehrheitlich für tödliche Komplikationen verantwortlich. Die Forschungsgruppe rund um Mattias Mandorfer und Thomas Reiberger von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der MedUni Wien konnte bereits in vorangegangenen Studien nachweisen, dass durch die Heilung der Hepatitis C bei einem Großteil der PatientInnen der Pfortaderhochdruck reduziert wird, was eine Verbesserung der Prognose bedeutet. Ob dies aber im jeweiligen individuellen Fall zutrifft, konnte bisher nur mit aufwendigen, invasiven Untersuchungen festgestellt werden. Nun hat Georg Semmler aus derselben Forschungsgruppe einen einfachen nicht-invasiven Algorithmus zur Einschätzung des Pfortaderhochdrucks und zur Vorhersage von Komplikationen bei PatientInnen nach Heilung der Hepatitis C entwickelt.
Die Hepatitis C ist eine weitverbreitete Virusinfektion der Leber, die bis vor einigen Jahren mittels Interferonspritzen und zusätzlichen Medikamenten monatelang therapiert werden musste. Besonders bei PatientInnen mit fortgeschrittener Lebererkrankung und Pfortaderhochdruck waren die Heilungsraten gering und schwere Nebenwirkungen häufig. Heute setzt man direkt antivirale Substanzen ein, die weitgehend nebenwirkungsfrei sind und über 95 Prozent aller Hepatitis C-PatientInnen innerhalb einer Therapiedauer von nur acht bis 12 Wochen heilen können.
Bei den von der Hepatitis C geheilten Personen wird der Pfortaderdruck insgesamt zwar gesenkt, allerdings kann der Pfortaderhochdruck trotzdem fortbestehen, weshalb es weiterhin zu Komplikationen wie etwa zu Blutungen aus Krampfadern in der Speiseröhre oder dem Auftreten von Bauchwassersucht kommen kann. Das Risiko für diese Komplikationen kann durch die invasive Messung des Pfortaderdrucks (in Form des Lebervenen-druckgradienten) bestimmt werden, wie eine kürzlich von Mattias Mandorfer veröffentlichte Arbeit zeigt. Die Messung des Lebervenendruckgradienten ist jedoch ein aufwendiges und letztlich auch invasives Verfahren, das nur von ExpertInnen durchgeführt werden kann.
Nun hat die Forschungsgruppe an der Universitätsklinik für Innere Medizin III (Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie/Leitung: Michael Trauner) einen Algorithmus basierend auf nicht-invasiven Tests entwickelt, der sowohl den Schweregrad des Pfortaderhochdrucks als auch das Risiko für das Auftreten von Komplikationen nach Heilung der Hepatitis C einschätzen kann. Das unterstreicht die internationale Vorreiterrolle der MedUni Wien-ForscherInnen auf diesem Gebiet der Hepatologie.
Der Algorithmus basiert auf einem weit verbreiteten ultraschall-basierten Verfahren, das die Lebersteifigkeit misst, sowie auf routinemäßig verfügbaren Bluttests (von Willebrand Faktor- Antigen/Thrombozytenzahl) und zeigt auch in externen Bestätigungsuntersuchungen eine hohe diagnostische und prognostische Wertigkeit. „Durch die verbesserte Risikoeinschätzung kann bei einem Großteil der PatientInnen Entwarnung gegeben werden, wodurch sie weniger häufig belastende Kontrolluntersuchungen benötigen. Außerdem werden auch HochrisikopatientInnen identifiziert, die einer besonders engmaschigen Betreuung bedürfen“, erklären die StudienautorInnen.
„Der von uns entwickelte Algorithmus ermöglicht eine personalisierte Nachbetreuung von PatientInnen, deren Hepatitis-C-Virus-Infektion geheilt wurde. Somit werden einerseits invasive Untersuchungen vermieden und andererseits PatientInnen identifiziert, die trotz virologischer Heilung ein hohes Risiko für Komplikationen aufweisen. Wir sind zuversichtlich, dass unser Algorithmus, welcher auf einfach verfügbaren nicht-invasiven Tests basiert, breite Anwendung finden wird“, fasst Georg Semmler zusammen.
Literatur
“Sustained virologic response to interferon-free therapies ameliorates HCV-induced portal hypertension.” Hepatology 2020”. Semmler G, Binter T, Kozbial K, Schwabl P, Hametner-Schreil S, Zanetto A, Gavasso S, Chromy D, Bauer D, Simbrunner B, Scheiner B, Bucsics T, Stättermayer AF, Pinter M, Steindl-Munda, Schöfl R, Russo FP, Simioni P, Trauner M, Ferenci P, Reiberger T, Mandorfer M. https://doi.org/10.1002/hep.31462