Alles „homo“ oder was? Sexuell übertragbare Krankheiten im Check

Erfahre, warum sexuell übertragbare Krankheiten (STIs) nicht von sexueller Orientierung abhängen und wie Aufklärung und Prävention für alle Geschlechter wichtig sind. Mythos vs. Fakten: STIs betreffen jeden – Schutz und Wissen sind entscheidend.

Millennials und ältere Generationen kennen vielleicht noch das Bild von Prinzessin Diana, das 1987 in der Presse weltweit die Runde machte. Es zeigt die britische Adlige beim Händeschütteln – aber nicht einfach mit irgendjemanden. Nein, die Hände, die ihr da entgegengestreckt werden, gehören zu Personen, die HIV-positiv getestet sind. Doch warum sorgte das Bild für einen solchen Aufschrei? Zu diesem Zeitpunkt dachte man noch, dass AIDS beziehungsweise das HI-Virus per Hautkontakt übertragen wird. Heute lacht man über dieses Unwissen – dabei klaffen auch heute noch immer große Lücken in unserem Wissensstand zu HIV, Chlamydien, Syphilis und Co. – Zeit, das zu ändern.

Sexuell übertragbare Krankheiten – häufig als STIs bezeichnet, das steht für Sexually Transmitted Infections – sind ein Thema, das uns alle betrifft, unabhängig von unserer sexuellen Orientierung. Dennoch gibt es noch immer den Glauben, dass STIs nur homosexuelle Menschen betreffen und man sich als heterosexueller Mensch keine Gedanken darüber machen muss. Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder, die messen, wer sich eigentlich (regelmäßig) auf STIs testet – aber dazu später mehr. Warum ist dieser Irrglaube eigentlich so gefährlich?, fragen sich jetzt vielleicht einige.

In erster Linie ist er es deshalb, weil Menschen, die sich nicht als heterosexuell bezeichnen, dadurch ein Stigma erleben. Ein weiterer kritischer Faktor ist aber auch, dass beispielsweise auch Ärzt:innen und andere Beschäftigte im Gesundheitswesen nur Menschen sind – und wenn auch sie diesem alten Klischee auf den Leim gehen, dann bleibt die Dunkelziffer der Infektionen bei Heterosexuellen hoch: Denn die Diagnose „HIV“ erscheint einem trotz der typischen HIV-Symptome bei einer heterosexuellen, älteren Frau weniger naheliegend als bei einem jungen, homosexuellen Mann.

Werfen wir daher gemeinsam einen Blick auf Mythos und Fakten.

Mythos 1: Homosexuelle Menschen sind anfälliger für STIs

Fakt: Die Prävalenz von STIs hängt nicht von der sexuellen Orientierung ab. STIs können Menschen jeglicher sexueller Orientierung treffen. Die Wahrscheinlichkeit, eine STI zu bekommen, hängt stattdessen von individuellem Sexualverhalten und Präventionsmaßnahmen ab.

Das zeigte unter anderem eine Studie Anfang der 2000er Jahre, die die wahrscheinlichsten Infektionswege von STIs nach Geschlecht – in diesem Fall männlich oder weiblich – untersuchte. Laut Angaben der behandelnden Ärzt:innen, die für die Studie befragt wurden, infizierten sich 59,4 Prozent der Männer mit STIs beim Geschlechtsverkehr mit anderen Männern. Doch neben ihnen infizierten sich weitere 22,5 Prozent beim heterosexuellen Verkehr.

Bei den Frauen hingegen lagen ganz andere Infektionswege vor: Unter ihnen waren es ganze 63,7 Prozent, die sich bei der Prostitution angesteckt hatten.

Mythos 2: Über STIs wissen homo- und heterosexuelle Menschen gleich gut Bescheid

Fakt: Mangelnde Aufklärung über sexuell übertragbare Krankheiten ist auch heute noch ein Problem – allerdings ist es nicht gleichmäßig über alle sexuellen Orientierungen verteilt. So hat ein Marktforschungsinstitut 500 Heterosexuelle und 500 Mitglieder der LGBTQI+-Community befragt und herausgefunden, dass heterosexuelle Menschen sich insgesamt deutlich seltener auf STIs testen lassen: Ganze 75 Prozent der befragten Heterosexuellen in Deutschland ließen sich der Studie zufolge noch nie auf eine

Geschlechtskrankheit testen. Bei der LGBTQI+-Community sah es dagegen ganz anders aus: Jede:r Vierte gab hier an, sich regelmäßig testen zu lassen.

Als Grund wird vermutet, dass es auch heute noch mit Scham behaftet ist, sich auf STIs testen zu lassen. Hier waren sich die beiden Gruppen jedoch etwas einiger: 74 Prozent der LGBTQI+s würden sich häufiger testen, wenn es einen Selbsttest für zu Hause gäbe – bei den Heteros waren dies „nur“ 64 Prozent.

Mythos 3: Kondome schützen nicht vor STIs bei homosexuellen Menschen

Fakt: Kondome sind äußerst effektiv bei der Reduzierung des Risikos von STIs, einschließlich HIV. Prinzipiell bietet es einen bis zu 60-prozentigen Schutz vor sexuell

übertragbaren Erkrankungen. Voraussetzung ist jedoch, dass es sachgerecht angewandt wird. Aber: STIs werden nicht nur über die Genitalregion oder den Enddarm übertragen. So können Syphilis-Erreger oder humane Papillomviren (HPV) auch über kleinere Hautverletzungen übertragen werden. Dabei muss der oder die noch nicht infizierte Geschlechtspartner:in nicht unbedingt vorerkrankt sein – auch gesunde Menschen können sich infizieren.

Alles in allem reduziert das Kondom die Ansteckungswahrscheinlichkeit für viele weit verbreitete Geschlechtskrankheiten jedoch erheblich – besonders, wenn sich der Verkehr auf Geschlechts- und Analbereich beschränkt.

Mythos 4: HIV ist die einzige geläufige STI

Fakt: Obwohl HIV eine besonders ernsthafte STI ist, gibt es viele andere STIs, die homosexuelle Menschen und Menschen aller sexuellen Orientierungen betreffen. Die WHO geht davon aus, dass weltweit täglich rund eine Million Übertragungen mit STIs stattfinden. Viele dieser Infektionen werden jedoch gar nicht erst diagnostiziert und werden daher unbemerkt an Geschlechtspartner:innen weitergegeben. Eine Enttabuisierung und offene Kommunikation sind daher zwingend notwendig.

In der Europäischen Union betrifft das HI-Virus, das als AIDS-Auslöser bekannt ist, schätzungsweise 2,3 Millionen Menschen. Im Zeitraum von 2015 bis 2019 wurden jedoch auch starke Anstiege anderer STIs vermerkt: So sollen die Infektionen mit dem LGV, einem Chlamydien-Bakterienstamm, in Europa um etwa 75 Prozent zugenommen haben, bei Gonorrhoe sollen es 55 Prozent gewesen sein und bei Syphilis 25 Prozent.

In Österreich gab es in den letzten Jahren rund 300 bis 400 Neuinfektionen jährlich mit HIV.

Mythos 5: Die PrEP (Präexpositionsprophylaxe) macht Kondome überflüssig

Fakt: Die PrEP ist eine wirksame Methode zur Vorbeugung von HIV bei Menschen mit einem höheren Risiko. Dabei nehmen gesunde Menschen präventiv ein Medikament ein, das sich in den Schleimhäuten anreichert – denn so soll das HI-Virus am Eindringen gehindert werden. Besonders bei Männern, die sexuellen Kontakt mit Männern haben, ist diese Art der HIV-Vorsorge besonders verbreitet. Und die Geschichte von PrEP ist tatsächlich eine richtige Erfolgs-Story! Denn bei korrekter Anwendung entfaltet es eine Wirksamkeit von bis zu 95 Prozent – und zwar bei Frauen genauso wie bei Männern.

Wo also ist der Haken?, fragen sich jetzt vielleicht einige. Tatsächlich bietet PrEP zwar eine effektive HIV-Prävention – doch gegen STIs wie Gonorrhoe, Chlamydien oder Syphilis ist es machtlos. Diese Erkrankungen sind jedoch auf dem Vormarsch – man sollte sich daher nicht auf PrEP alleine verlassen und unbedingt zusätzlich mit Kondom verhüten.

Fazit:

STIs betreffen Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Es ist wichtig, Mythen und Vorurteile abzubauen und sich stattdessen auf wissenschaftliche Fakten und Daten zu konzentrieren. Alle sexuell aktiven Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, sollten sich regelmäßig auf STIs testen lassen, Safer-Sex-Praktiken anwenden und Präventionsmaßnahmen ernst nehmen. Dies trägt dazu bei, die Verbreitung von STIs zu reduzieren und die sexuelle Gesundheit für alle zu schützen.

Quellen:

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